Wir fordern einen 2. NSU-Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag!

Wir fordern einen 2. NSU-Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag!

Startdatum
30. September 2020
Petition an
die demokratischen Abgeordneten und Fraktionen des Bayerischen Landtags
2.322 Unterschriften:Nächstes Ziel: 2.500
Jetzt unterstützen

Warum ist diese Petition wichtig?

Gestartet von Kein Schlussstrich

Für einen 2. NSU-Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag!
Kein Schlussstrich unter den NSU-Komplex!

Die Hälfte aller NSU-Morde wurden in Bayern begangen. Die meisten der Opfer kamen aus Nürnberg. Der erste und vergessene Bombenanschlag des NSU wurde immer noch nicht juristisch aufgearbeitet. Wir sind eine Gruppe von Menschen aus München, Nürnberg und Erlangen, die nicht mehr tatenlos zusehen.

In diesen Tagen machen sich Aktivist*innen bei Abgeordneten und Fraktionen des Bayerischen Landtags für die Einsetzung eines zweiten bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss stark. Neue Recherchen liegen vor und alle offenen Fragen sind zusammengetragen. Das Versprechen, keinen Schlussstrich unter den NSU-Komplex zu ziehen, muss eingelöst werden! Nach Hanau, Halle und Kassel kann es nicht einfach so weiter gehen: Die Kontinuitäten des rechten Terrors müssen gebrochen, alle Netzwerke zerschlagen und die Betroffenen vollständig rehabilitiert werden!

Als Unterzeichner*innen dieser Petition fordern wir den Bayerischen Landtag daher in gebotener Deutlichkeit dazu auf, dringend mit einem zweiten Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des NSU-Komplexes beizutragen. 

Die Forderung basiert auf der Feststellung, dass der Bayerische Landtag seiner Verantwortung als Landesparlament des Bundeslandes, in dem es die meisten Mordopfer des rechtsterroristischen NSU-Netzwerkes zu beklagen gibt und sowohl der erste Mord als auch der erste Bombenanschlag verübt wurden, bisher nur unzureichend nachgekommen ist. Der erste bayerische Untersuchungsausschuss endete kurz, nachdem der NSU-Prozess im Jahr 2013 überhaupt begann. Dem Ausschuss lagen wichtigste Aktenteile nicht vor und die Dimensionen des NSU-Komplexes waren weitgehend unbekannt. Die damaligen und auch heutigen Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und SPD stellten im gemeinsamen Abschlussbericht zum Untersuchungsausschuss Rechtsterrorismus in Bayern – NSU 2012-2013 fest:

„Insoweit liegt lediglich ein Zwischenbericht vor und es wird Aufgabe des nächsten Landtags sein, auch im Lichte der in dem Verfahren vor dem OLG München gewonnenen neuen Erkenntnisse zu prüfen, ob ein weiterer Untersuchungsausschuss eingerichtet werden muss.“ (Bayerischer Landtag 2013: 154)

Zwei Landtagswahlen und ein viel kritisiertes Urteil des OLG München später, muss diese Aufgabe zu einem Ende gebracht werden. Hierfür wurden mehr als genügend neue Anknüpfungspunkte gewonnen, auch wurde in anderen Bundesländern gezeigt, dass inhaltlich gut vorbereitete und energisch auftretende Untersuchungsausschüsse dynamisch auf neue Fragestellungen reagieren können und sich nicht mit unvollständigen Aktenbeständen und inkonsistenten Zeugenaussagen abspeisen lassen müssen. Da es uns nicht um die Delegierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben geht, sondern darum – kollaborativ und Schritt für Schritt – die Aufklärung des NSU-Terrors und seiner Ermöglichungsbedingungen voranzubringen, ist es ein ebensolcher Untersuchungsausschuss, den wir für Bayern fordern.

Folgende neue Erkenntnisse und Fragestellungen machen diesen erneuten Untersuchungsausschuss zwingend erforderlich:

- Das Rohrbombenattentat auf die Kneipe „Sonnenschein“ in Nürnberg vom 23. Juni 1999, bei dem der damalige Wirt schwer verletzt wurde, konnte dem NSU-Netzwerk erst am 8. Hauptverhandlungstag im Zuge der Einlassung des Angeklagten Carsten S. als weitere Tat zugeordnet worden. Zu spät für den ersten Untersuchungsausschuss und aus „verfahrensökonomischen Gründen“ nicht Teil der Anklage des NSU-Prozesses, da ein weiterer Anschlag für die Schuld- und Straffrage der Hauptangeklagten Zschäpe nicht ins Gewicht fallen würde. Deswegen wurde der Bombenanschlag auf Mehmet O. bisher nicht juristisch verhandelt. Bereits 17 Stunden nach der Explosion wurde ein politischer Hintergrund ausgeschlossen, die Ermittlungen fokussierten das Opfer und sein Umfeld, aus Mordabsicht wurde gefährliche Körperverletzung, das Verfahren letztlich nach weniger als 7 Monaten ergebnislos eingestellt. Nach erfolgter Zuordnung zum NSU-Terror 2013 unterließen es die Ermittler*innen, das Opfer Mehmet O. über die Tathintergründe zu informieren - und dies, obwohl eine erneute Befragung des Betroffenen neue Hinweise ergab. Susann E. - die beste Freundin Beate Zschäpes, langjährige NSU-Unterstützerin und Ehefrau des Angeklagten André E. - wurde von dem Betroffenen auf Fotos wiedererkannt. Wir fordern die Untersuchung möglichen Fehlverhaltens bayerischer Sicherheits- und Justizbehörden sowie die Erhellung der Tatumstände. Auch versuchter Mord verjährt nicht!

- Journalistische Recherchen belegen, dass der Neonazi und V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Ralf Marschner, der dem NSU-Kerntrio vielfältige Unterstützung zukommen ließ, gute Kontakte zu Nürnberger Neonazis pflegte. Wir fordern Aufklärung, ob diese als regionale Terrorhelfer*innen in Betracht kommen, sowie Antwort auf die Frage, ob sich im Umfeld des Kerntrios weitere, der Öffentlichkeit nicht bekannte V-Personen befunden haben. 

- Das NSU-Kerntrio war in den 1990er-Jahren regelmäßig in Bayern zu Gast – weit öfter als dem ersten bayrischen Untersuchungsausschuss bekannt. Dies verlangt eine Überprüfung der damaligen Einschätzungen zu neonazistischen Strukturen, insbesondere im Hinblick auf mögliche Terrorhelfer*innen in Nürnberg und München.

Wir Erstunterzeichner*innen - darunter die Betroffenen und Überlebenden des NSU-Terrors, Nebenklageanwält*innen, antirassistische und antifaschistische Aktivist*innen, Politiker*innen, Journalist*innen, Kulturschaffende, Wissenschaftler*innen, Gewerkschafter*innen und solidarische Menschen – kämpfen gegen einen Schlussstrich unter die Aufklärung des NSU-Komplexes. Ohne die Beantwortung aller offenen Fragen für Bayern, wo Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Habil Kılıç, İsmail Yaşar und Theodoros Boulgarides ermordet wurden und der vergessene erste Anschlag des NSU verübt wurde, werden wir den NSU-Komplex niemals auflösen. 

Daher appellieren wir hiermit eindringlich, unsere Forderung für die Einsetzung eines zweiten parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung des NSU-Terrors in Bayern mit dieser Petition zu unterstützen. Treten Sie in Ihren Fraktionen, Vereinen und auch im familiären Umfeld für den Untersuchungsauschuss ein, bekennen Sie sich öffentlich zu dieser Petition, indem Sie diese unter dem Hashtag #KeinSchlussstrich verbreiten, und nutzen Sie Ihre parlamentarischen Aufklärungs- und Kontrollmöglichkeiten!

Für weitere Informationen und Updates folgen sie uns unter:

Twitter: Kein Schlussstrich @KSchlussstrich
Facebook: Bündnis gegen Naziterror und Rassismus @nsuprozess
Email: keinschlussstrichpetition@gmx.de

 

Erstunterzeichner*innen:

  • Abdulkerim und Semiya Şimşek, Sohn und Tochter Enver Şimşeks
  • Mandy und Michaela Boulgarides, Töchter Theodoros Boulgarides'
  • Yvonne Boulgarides, Witwe Theodoros Boulgarides'
  • Mehmet O., Opfer des Bombenattentates auf seine Kneipe „Sonnenschein“
     
  • Alexander Hoffmann, Nebenklageanwalt im NSU-Verfahren
  • Antonia von der Behrens, Nebenklageanwältin im NSU-Verfahren
  • Berthold Fresenius, Nebenklageanwalt im NSU-Verfahren
  • Dr. Björn Elberling, Nebenklageanwalt im NSU-Verfahren
  • Carsten Ilius, Nebenklageanwalt im NSU-Verfahren
  • Edith Lunnebach, Nebenklageanwältin im NSU-Verfahren
  • Mehmet Daimagüler, Nebenklageanwalt im NSU-Verfahren
  • Seda Başay-Yıldız, Nebenklageanwältin im NSU-Verfahren
  • Sebastian Scharmer, Nebenklageanwalt im NSU-Verfahren
  • Stephan Kuhn, Nebenklageanwalt im NSU-Verfahren
  • Dr. Peer Stolle, Nebenklageanwalt im NSU-Verfahren
     
  • Bayerischer Flüchtlingsrat
  • Bündnis gegen das Vergessen, Amberg
  • Bündnis gegen Naziterror & Rassismus, mit Kampagne „Kein Schlussstrich“
  • B.U.D. - Beratung. Unterstützung. Dokumentation für Opfer rechtsextremer Gewalt
  • Stadtteilzentrum Desi, Nürnberg
  • Erinnerungsgruppe München
  • Freundschafts- und Solidaritätsverein (DIDF Nürnberg)
  • Initiative „Das Schweigen durchbrechen!“, Nürnberg
  • Initiative kritisches Gedenken e. V., Erlangen
  • Initiative Zivilcourage München
  • Internationales Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte (NIHRFF)
  • Junge Stimme e. V. (DIDF-Jugend Nürnberg)
  • Karawane München
  • Kreisjugendring München-Stadt
  • Linksjugend ['solid] Bayern
  • Musikverein in der Kantine Nürnberg
  • Netzwerk (rassismus)kritische Migrationsforschung, Repräsentation, Community und Empowerment, Universität Bremen
  • NSU-Watch
  • SJD-Die Falken LV Bayern
  • TERZ FgK e. V., Düsseldorf
  • Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG e.V.) mit:
    • BEFORE – Beratung und Unterstützung bei Diskriminierung, Rassismus und rechter Gewalt e.V. ( München)
    • Leuchtlinie – Beratung für Betroffene von rechter Gewalt in Baden-Württemberg
    • Mobile Opferberatung – Unterstützung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Sachsen-Anhalt
    • Opferberatung Rheinland  – Beratung und Unterstützung für Betroffene rechtsextremer und rassistischer Gewalt
    • Opferperspektive e.V. – Beratung für Betroffene rechter Gewalt in Brandenburg
    • SUPPORT für Betroffene rechter Gewalt bei Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie Sachsen e.V. (RAA - Sachsen e.V.)
    • ReachOut – Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Berlin
    • response. ­– Beratung für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Ein Angebot der Bildungsstätte Anne Frank in Hessen
    • soliport ­– Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt solidarisch beraten und unterstützen in Bremen

 

  • Ali und Birgül Sahverdi, türkische Sendung Radio Z, Nürnberg
  • Andrea Kuhn, Leiterin Internationales Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte
  • Anja Schmailzl, Sprecherin Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus Fürth
  • Anna Mina Morina, Schatzmeisterin Grüne Jugend Bayern
  • Ates Gürpinar, Landessprecher DIE LINKE. Bayern
  • Dr. Anke Hoffstadt, Hochschule Düsseldorf und Zeithistorischer Arbeitskreis Extreme Rechte
  • Ayşe Güleç, Pädagogin, Autorin und forschende Aktivistin
  • Prof. Dr. habil. Albert Scherr, Institut für Soziologie, Pädagogische Hochschule Freiburg
  • Bernd Kasparek, movements-journal.org
  • Birgit Mair, Kuratorin der Wanderausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen"
  • Brigitte Wolf, ehrenamtliche Stadträtin München
  • Cana Bilir-Meier, Filmemacherin und Kunstpädagogin
  • Dr. Christian Beck, München
  • Prof. Dr. Christine Morgenstern, Technische Hochschule Nürnberg
  • Christian Frühm, Wissenschaftlicher Mitarbeiter LMU München
  • Dr. Daniel Burghardt, Department Erziehungs- und Sozialwissenschaften, Universität zu Köln
  • Dominik Sauerer, Stadtrat und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN/ Grüne Liste-Faktion Erlangen
  • Elisabeth Preuß, stv. Vorsitzende der Allianz gg. Rechtsextremismus/ Bürgermeisterin von Erlangen a. D.
  • Ester Limburg-Klaus, Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Erlangen
  • Esther Dischereit, Schriftstellerin
  • Eva Bulling-Schröter, Stadträtin in Ingolstadt, Landessprecherin DIE LINKE. Bayern
  • Frank Riegler, Sprecher der Aktion Courage Erlangen
  • Frank-Markus Barwasser, Kabarettist und Journalist
  • Friedrich Burschel, Freier Journalist, Korrespondent von Radio Lotte Weimar im NSU-Prozess
  • Prof. Dr. Gabriele Fischer, Hochschule München
  • Harald Weinberg, MdB Fraktion DIE LINKE
  • Ibrahim Arslan, Überlebender des Brandanschlages 1992 in Mölln
  • Dr. Imke Leicht, Politikwissenschaftlerin, Nürnberg
  • Prof. Dr. Juliane Karakayali, movements-journal.org
  • Dr. Julia Killet, Rosa-Luxemburg-Stiftung Bayern
  • Jonathan Schmidt-Dominé, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Goethe-Universität Frankfurt
  • Katharina König-Preuss, MdL DIE LINKE Thüringen
  • Kathrin Flach Gomez, Stadträtin für DIE LINKE in Nürnberg
  • Prof. Dr. Karl-Josef Pazzini, Psychoanalytiker
  • Prof. Dr. Klaus Weber, Hochschule München
  • Leonhard F. Seidl, Schriftsteller
  • Dr. Léa Kuhn, Wissenschaftliche Mitarbeiterin LMU München
  • Dr. Lisa Riedner, München
  • Marie Burneleit, Stadträtin München, Die PARTEI
  • Martina Renner, MdB Fraktion DIE LINKE
  • Marina Mayer, Netzwerk rassismus- und diskriminierungsfreies Bayern e.V.
  • PD Dr. Marcus Coelen, LMU München / Columbia University New York
  • Matthias Egersdörfer, Kabarettist
  • Michael Becker, Bildungsreferent
  • Miraz Bezar, Film- und Theaterregisseur
  • Munib Agha, Stadtrat und stv. Fraktionsvorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion Erlangen
  • Nico Schreiber, Vorsitzender der SJD-Die Falken Nürnberg
  • Nicole Gohlke, MdB Fraktion DIE LINKE
  • Niklas Haupt, Stadtrat in Fürth, Mitglied des Landesvorstandes DIE LINKE. Bayern
  • Nimet Gökmenoğlu, ea. Stadträtin, München
  • Özlem Demir, Stadträtin für DIE LINKE in Nürnberg
  • Prof. Dr. Renate Bitzan, Technische Hochschule Nürnberg
  • Dr. Ronen Steinke, Autor & Journalist
  • Ruth Brenner, Stadträtin in Fürth, Personalrätin (GEW)
  • Sebastian Lipp, Journalist, Chefredakteur Allgäu rechtsaußen
  • Siegfried Benker, Vorstand Before e. V.
  • Stefan Dietl, Autor, Journalist und Bezirksvorsitzender ver.di Oberpfalz
  • Stephan Doll, Vorsitzender der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg
  • Thomas Lechner, Stadtrat für DIE LINKE in München
  • Titus Schüller, Stadtrat für DIE LINKE in Nürnberg
  • Tunçay Kulaoğlu, Dramaturg und Kurator
  • Ülkü Süngün, Bildende Kunst, Künstlerische Forschung, Aktivistin
  • Dr. Umut Şahverdi, Akademiker
  • Dr. Vildan Seckiner, München
  • Wolfgang Niclas, DGB-Vorsitzender Erlangen/Erlangen-Höchstadt
  • Zara Jakob Pfeiffer, [muc] münchen postkolonial
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Entscheidungsträger*innen

  • die demokratischen Abgeordneten und Fraktionen des Bayerischen Landtags